Geschichte der Straßenbahn Frankfurt (Oder)

Die Frühphase - 1842 bis zur Nachkriegszeit 1945

Die frühe Geschichte der Straßenbahn ist eng an die der Eisenbahn gebunden. 1842 eröffnete die Bahnstrecke Berlin – Frankfurt (Oder). Zu dieser Zeit übernahm eine Pferdeomnibuslinie den Transport der Fahrgäste vom Bahnhof im Zentrum der Stadt bis zur Dammvorstadt, dem heutigen polnischen Slubice auf der Ostseite der Oder. Weil die Kapazitäten des Omnibusbetriebs bei weitem nicht genügten, diskutierte die Stadtverordnetenversammlung die Einrichtung einer Pferdebahn auf vier Linien. Der Betrieb mit 'Hafermotor' galt 1894 doch bereits als veraltet; auf das Projekt wurde vorerst verzichtet.

 

Zwei Jahre vergingen bis zu dem Beschluss, eine elektrische Straßenbahn in der Stadt zu bauen. Die projektierten Strecken entsprachen den später tatsächlich umgesetzten Linien: von der Oderalle bis zur Küstriner Straße; vom Bahnhof in die Dammvorstadt sowie eine Strecke vom Beresinchen zum Markt. Der Fahrgastbetrieb eröffnete im Januar 1898 mit vorerst zwei Linien im 12-Minuten-Takt. Ein Jahr später wurde der Betrieb auf vier Linien geführt. Die Wagen waren mit Farbsignalen gekennzeichnet.

 

Die Inflation 1914 bis 1923 traf die Bahn schwer: mehrfach wurde der Verkehr fast eingestellt, die Takte reduziert und die Betriebszeiten eingeschränkt. Erst 1924 – der Betrieb war nun unter Regie der Frankfurter Elektrizitätswerke (FEW) – konsolidierte sich die Wirtschaftssituation wieder, so dass sämtliche Strecken wieder befahren werden konnten. 1925 wurden die Farbsignale, die die Linien kennzeichneten, durch nummerische Kennzeichen ersetzt.  Es fuhren zu dieser Zeit Triebwagen der Firmen Waggonfabrik AG Köln, der Firma Steinfurth Königsberg sowie der Breslauer AG für Eisenbahn-Waggonbau (technische Ausrüstung jeweils durch AEG).

 

Nach etlichen Streckenerweiterungen besonders in den dreißiger Jahren kam der Betrieb in Folge des Zweiten Weltkrieges im Frühjkahr 1945 vollständig zum Erliegen. Bilanz: Vom damaligen Bestand von 33 Trieb- und 46 Beiwagen waren 39 Fahrzeuge zerstört. Die Wirtschaftsgebäude und die Wagenhalle waren stark beschädigt. Ferner war ein weiterer Betrieb zunächst nicht möglich, weil die Verbindung zum Kraftwerk Finkenheerd, dass von Beginn an die Versorgung übernommen hatte, gekappt war. Dennoch wurde bereits im Mai 1945 vom Stadtkommandanten der Wiederaufbau veranlasst.

 

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Die Straßenbahn auf der Kippe - 1945 bis 1976

Die Kapitulation des Reichs war im Hinblick auf den Straßenbahnbetrieb nicht nur mit Zerstörung der Anlagen, sondern auch mit dem Verlust einer wichtigen Strecke verbunden: Die Linie 2 in die Dammvorstadt musste stillgelegt werden, nachdem der ehemalige Stadtteil rechts der Oder der VR Polen zufiel, er nennt sich seitdem Slubice. Der erste Abschnitt, der nach dem Krieg wieder in Betrieb ging, war der vom Wilhelmsplatz (heute in Höhe der Haltestelle Zentrum) nach Beresinchen zum Neuen Friedhof. Noch mit Pendelwagen und eingleisig befahren, eröffneten die Strecken der Lebuser Vorstadt, zum Bahnhof und zum Chausseehaus (Oderallee) im gleichen Jahr.

 

Die nächste Stillegung betraf den Abschnitt vom Rathaus und Markt über die Große Oderstraße bis zur Oderbrücke. Von der Linie in Richtung Dammvorstadt ohnehin nicht mehr genutzt, verzichteten die FEW auf den Parallelbetrieb mit der Strecke in der Richtstraße, die etwa dem Verlauf der heutigen Karl-Marx-Straße folgte. Im Jahr 1955 verzeichnete die Straßenbahn Frankfurt den ersten Neuzugang an Fahrzeugen seit ihrer Eröffnung. Bis 1957 beschaffte der Betrieb 3 Züge (TW und BW) der Serie ET54 und EB54 in Betrieb. Die Wagen, ausgerüstet noch mit Stangenstromabnehmern, sind auch unter dem Namen "Lowa-Wagen" bekannt.

 

Die Richtstraße, durch die Strecke in Richtung Schlachthof – heute Lebuser Vorstadt – führte, war nach dem Krieg gänzlich zerstört. Aus einer kleinstädtischen Straße mit dreistöckigen schönen Wohnhäusern und Geschäften war ein leeres Feld geworden. Der Wiederaufbau der Innenstadt ging einher mit neu angelegten Straßen, die die alte Struktur der Gässchen und engen Wege ersetzten. Die neue Hauptstraße vom Wilhelmplatz bis zum Richtplatz (die sogenannte "Magistrale") ,übernahm' 1957 die Straßenbahn aus der Richtstraße. Hier erhielt sie in der großzügig konzipierten Straße einen Gleiskörper in Mittellage und wurde so unabhängig vom ohnehin geringen Pkw-Verkehr.

 

Trotz des Baus neuer Wohngebiete im Süden der Stadt (Beresinchen) hielt das Kraftverkehrskombinat an der Gesamteinstellung der Straßenbahn fest: 1975 sollte die letzte Bahn fahren. 1970 noch wurde wegen ihres enorm schlechten Zustandes die Strecke zur Oderallee stillgelegt; im gleichen Jahr aber zumindest bis zum Stadion wieder aufgenommen. Wer heute durch den Buschmühlenweg fährt, kann die Lage des Gleises auf der linken Straßenseite (stadtauswärts) noch unter dem Asphalt erkennen.

 

Erst das Jahr 1976 brachte die Wende und den ersten Streckenneubau seit den dreißiger Jahren: Im März fuhr zum ersten Mal eine Bahn von der bisherigen Kuppelendstelle Beresinchen bis zum neuen Wohngebiet Südring. Frankfurt profitierte in diesem Sinne von der Ölkrise und dem DDR-weiten Beschluss, Kraftstoffe durch den elektrischen Nahverkehr zu sparen. Vermutlich ist dies der einzige Grund, warum die Straßenbahn bis dato erhalten geblieben ist. Der Stadtteil Hansa Nord – damals ohne Straßenbahnanbindung projektiert – erhielt diese hingegen bis heute nicht.

 

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Die Ausbauphase - Von den Siebzigern bis 1990

Dieser Zeitabschnitt kann als die ,Goldenen Jahre' der Straßenbahn Frankfurt gesehen werden. Der Bevölkerungszuwachs in der Stadt, der Auf- und Ausbau von Wohngebieten an der Peripherie der Stadt und die DDR-typischen Wartezeiten auf einen Pkw bescherten dem Betrieb einen außergewöhnlichen Aufschwung.

 

1980 wurde das in der Geschichte größte Ausbauprojekt begonnen: die Strecke durch den Bahnhofstunnel durch die Altstadt. Zwar mussten für sie einige Häuserzeilen niedergelegt werden, da die Bahn auf eigenem Gleiskörper fährt, doch war sie die einzig mögliche Anbindung des im Entstehen begriffenen Neubaugebiets Neuberesinchen in einem stadtbahnähnlichen Standard. Über der Müllroser Straße / Luckauer Straße entstand ein Gleisdreieck mit Verbindungsmöglichkeiten nach Neubersinchen, Zentrum und in Richtung Kopernikusstraße. Die alte Streckenführung durch die heutige Leipziger Straße wurde mit Inbetriebnahme stillgelegt. Bereits ein Jahr später folgte die Verlängerung vom Gleisdreieck bis zur provisorischen Endstelle Wintergarten; 1982 wurde sie durch die mehrgleisige Endschleife Neuberesinchen ergänzt. Die Straßenbahn blieb vorerst noch bei einem bunten Wagenpark. Neben einigen Altbaufahrzeugen standen vorwiegend Gotha-Zweiachsen und einige der Rekonstruktionsbauten aus Berlin-Schöneweide zur Verfügung.

 

Erst 1987 waren alle technischen Voraussetzungen für die tschechischen Kurzgelenkbahnen KT4D erfüllt: Im November gingen sie erstmals in den Fahrgastverkehr, vorwiegend auf der Strecke von Zentrum bis Neuberesinchen.

Reichlich ein Jahr später konnte das volle Fahrgastpotenzial der Doppeltraktionen genutzt werden. Mit der Überlandstrecke von der Kopernikusstraße bis zum Halbleiterwerk im Stadtteil Markendorf ging das letzte umfangreiche Bauvorhaben in Frankfurt zu Ende. Die Strecke wurde im Berufsverkehr von bis zu drei Linien bedient, die sich zu einer Taktung von zirka 5 Minuten verdichteten.

 

--> Zur Streckennetz- und Linienentwicklung siehe den →Bereich Streckennetze

 

Stagnation und Stabilisierung - Der Betrieb nach 1990

Die Situation der neunziger Jahre gestaltete sich bei der Frankfurter Straßenbahn ähnlich wie in anderen ostdeutschen Betrieben. Nach Einbrüchen der Fahrgastzahlen ab 1989/1990 und einem Betreiberwechsel zur SVF wurde mit umfangreichen Modernisierungen des Wagenparks und der gesamten Gleisanlagen gegengesteuert. Netzerweiterungen gab es lediglich auf dem Papier: Eine Anbindung von Hansa Nord – die Strecken dafür wurden freigehalten – sowie des Helenesees blieben lange in der Diskussion. Beide Projekte dürfen mittlerweile als 'gestorben' gelten.

Vielmehr wird in den vergangenen Jahren über einen Rückbau der Bahn aus dem Bereich der Lebuser Vorstadt erwogen. Diese Strecke würde bis zur Hafenallee gekürzt, es sei denn eine andere Planung würde umgesetzt: Die grenzüberschreitende Straßenbahn ins Nachbarland Polen.

 

Die Geschichte der Tram im ehemaligen Stadtteil Dammvorstadt (bis 1945) wurde oben kurz angerissen. Im Jahr 2004 sprach sich ein Verkehrsgutachten für die Verlängerung der Bahn nach Słubice aus. Anders als die 1945 stillgelegte Strecke zum ehemaligen Stadion soll die Bahn die Nachbarstadt im Rundkurs erschließen. Bei einer Bürgerbefragung stimmten mehr als achtzig Prozent der Frankfurter gegen den Ausbau, obwohl dieser aus EU-Fördermitteln weitgehend finanziert worden wäre. Wiederum fünf Jahre später erwog die Stadtverordnetenversammlung erneut, den Ausbau der Bahn zu forcieren. Ob die Neubaustrecke jemals gebaut wird, wird einen (hoffentlich) neuen Teil dieser Chronik bilden.

 

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